Martin Zwicker über die Hockey-WM in Indien - "Die Weltspitze ist enger zusammengerückt"

Di. 24.01.23 | 16:35 Uhr
Martin Zwicker im Trikot der Deutschen Hockey-Nationalmannschaft. (Bild: IMAGO / Axel Kaste)
Bild: IMAGO / Axel Kaste

Er ist der einzige Berliner in der Deutschen Hockey-Auswahl, die gerade in Indien um den WM-Titel spielt: Martin Zwicker vom Berliner HC. Ein Interview über Strafecken-Quoten, Crossover-Spiele und die vermeintliche Krönung einer Hockey-Karriere.

rbb|24: Herr Zwicker, Sie sind seit knapp zwei Wochen in Indien bei der Hockey-WM für deutsche Nationalmannschaft im Einsatz. Nehmen Sie uns kurz mal mit: Wo befinden sie sich gerade und wie sind dort die klimatischen Verhältnisse?

Martin Zwicker: Im Team-Hotel in Bhubaneswar. Zum dritten Gruppenspiel gegen Südkorea haben wir mal den Standort wechseln müssen. Da sind wir dann mit einer Charter-Maschine nach Rourkela zum zweiten Spielort geflogen. Dort sind wir drei Tage geblieben. Es ist ordentlich heiß hier mit hoher Luftfeuchtigkeit, es herrschen eigentlich immer über 30 Grad. Darum finden die Spiele auch am späten Nachmittag und am frühen Abend statt. Aber mittlerweile hat man sich daran gewöhnt.

Immer wieder Indien, könnte man sagen. Dort fand die Weltmeisterschaft bereits vor vier Jahren statt, auch 2010 war Indien Gastgeber. Ist die Turniervergabe etwas eintönig auf die Dauer oder ist es ein Vorteil, weil man die Abläufe und die Stadien kennt?

2010 waren die Weltmeisterschaften in Delhi und die anderen beiden war dann erst in Bhubaneswar. Ich finde es ein bisschen schade, dass die Weltmeisterschaft schon wieder in Indien stattfindet, unabhängig davon, dass es ein schönes Event ist, viele Zuschauer da sind und es wirklich Spaß macht, hier Hockey zu spielen. Aber irgendwie möchte man auch mal andere Länder kennenlernen.

Kommen wir zum Sportlichen: In der Gruppenphase gab es zwei klare Siege gegen Japan und Südkorea, dazu ein Unentschieden gegen Mitfavorit Belgien, wodurch man den direkten Einzug ins Viertelfinale verpasste. Dennoch zufrieden mit dem Auftakt?

Ja, natürlich. Am Ende hat es an Kleinigkeiten gelegen, dass wir nicht direkt ins Viertelfinale eingezogen sind. Aber entscheidend ist, dass wir unsere Leistung gebracht haben. Und so ein Turnier ist lang. Klar sind wir jetzt den Umweg über das Crossover-Spiel gegangen, aber nichtsdestotrotz stehen wir im Viertelfinale und das war auch wichtig, denn ein Spiel mehr kann auch ein Vorteil sein.

Im besagten Crossover-Spiel gab es ein souveränes 5:1 gegen Frankreich. Ist die Mannschaft jetzt endgültig im Turnierflow?

Ob man da vom Flow schon sprechen kann, weiß ich nicht. Aber wir wussten um die Wichtigkeit, weil es ein K.o.-Spiel war. Die musst du bei einem Turnier gewinnen und entsprechend die Leistung bringen. Darum ging es und das haben wir vor allem in der ersten Halbzeit gegen Frankreich hervorragend gemacht.

Jetzt wartet England im Viertelfinale (Mittwoch, 12 Uhr). Wie bewerten sie die Chancen aufs Weiterkommen?

England ist als Gruppenerster souverän ins Viertelfinale eingezogen. Die haben sehr gute Leistungen in der Gruppenphase gezeigt und nicht umsonst Indien in der Gruppe hinter sich gelassen. Ich glaube nicht, dass wir der Favorit sind. England wird da mit einer breiten Brust auftreten. Es wird ein gutes Spiel, aber wir sind selbstbewusst und freuen uns drauf.

Manchmal kann meine Rolle im Spiel sein, verbal da zu sein, unterstützend zu sein, Dinge vorzuleben, über Einsatz zu kommen. Das ist immer unterschiedlich.

Martin Zwicker, Hockeynationalspieler vom Berliner HC

Der Erfolgsquote bei den eigenen Strafecken ließ zuletzt etwas zu wünschen übrig. Muss ihr Team da noch eine Schippe drauflegen gegen England?

Aktuell liegt es eher an Kleinigkeiten. Eine gute Strafecke hängt von so vielen Faktoren ab. Wie wird die Ecke herausgegeben, wie wird sie gestoppt? Heutzutage ist die Eckenabwehr der gegnerischen Teams auch deutlich besser geworden. Klar wünschen wir uns eine hohe Effektivität bei den Strafecken, aber gleichzeitig ist entscheidend, dass wir die Ecken erstmal herausholen und wenn wir dazu dann eine gute Erfolgsquote im Viertelfinale haben, wäre das umso schöner.

Sie sind mit 35 Jahren und 277 Einsätzen im Nationaltrikot so ein bisschen der Oldie. Was ist denn so ihre Rolle im Team? Geben sie den jungen Spielern auch mal Ratschläge oder brauchen die das gar nicht?

Ob sich junge Spieler an mir orientieren, müssen sie die selbst fragen, das weiß ich nicht. Ich bin auf jeden Fall einer, der mit den Jungs viel redet. Ich gebe da auch meine Erfahrungswerte weiter und es ist da eher ein Austausch, als dass es Hinweise sind, damit auch beide Seiten auf Augenhöhe sind. Das ist das Entscheidende. Eine spezielle Rolle würde ich mir nicht zusprechen. Manchmal kann mein Rolle im Spiel sein, verbal da zu sein, unterstützend zu sein, Dinge vorzuleben, über Einsatz zu kommen. Das ist immer unterschiedlich.

Sie waren Deutscher Meister, Europameister, Olympiadritter und Vizeweltmeister. Der Weltmeistertitel fehlt noch. Wäre das die Krönung ihrer Karriere?

Der Weltmeistertitel fehlt noch. Das stimmt. Aber ob das die Krönung wäre, weiß ich nicht, weil ich nach dem Turnier definitiv noch nicht aufhören werde. Aber natürlich wäre es das ultimative Ergebnis.

Was braucht es denn, um am Ende Weltmeister zu werden? Auch ein gewisses Quäntchen Glück?

Ein bisschen Glück braucht es mit Sicherheit auch. Aber zu anfangs braucht es die richtige Einstellung, und als Team braucht man eine starke Defensivleistung. Denn das Spiel ist mittlerweile so schnell und so athletisch geworden. Da muss man gut in der Defensive stehen, um darauf dann aufbauen zu können, um dann im Anschluss seine Offensivaktionen zu haben. Das Wichtigste ist aber, das Spiel am Mittwoch gegen England zu gewinnen (lacht).

Wer ist neben Deutschland der Favorit aus ihrer Sicht?

Alle acht Teams, die jetzt im Viertelfinale stehen, können den Titel gewinnen. Auch in den K.o.-Spielen hat man gesehen, dass alles möglich ist. Da sind Teams im Viertelfinale, die in der Weltrangliste gar nicht so weit oben stehen. Man muss alle auf dem Schirm haben, denn die Leistungsdichte ist wesentlich höher. Es wird viel professioneller trainiert, und das hat die Weltspitze im Hockey enger zusammenrücken lassen.

Ihr Heimatverein ist der Berliner HC aus Zehlendorf. Halten sie während eines solchen Turniers auch Kontakt mit ihren Vereinskollegen?

Ja, nicht regelmäßig, aber ich verfolge alles. Manchmal schreibe ich den Jungs eine Nachricht. Der BHC ist ja gerade in der Hallensaison und spielt am Wochenende das Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft gegen den TSV Mannheim. Das ist ein sehr wichtiges Spiel für den Verein, damit die Saison weitergeht. Aber die Jungs verfolgen natürlich auch meine Spiele hier bei der WM.

Herr Zwicker, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Fabian Friedmann aus der rbb-Sportredaktion.

Sendung: rbbInforadio, 25.01.2023, 10:15 Uhr

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